Überblick zur Gemeindeversammlung vom 14. September 2008

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Zum Verfahren auf der Gemeindeversammlung: Die Mitglieder der Jakobi-Gemeinde haben von 11:30 Uhr bis 13:45 einige Antworten erhalten. Schon zu Beginn der Sitzung zeigte sich Peter Gresikowski leicht angesäuert, weil sich der Kirchenvorstand nicht an das auf dem drei Tage zuvor veranstalteten Vorbereitungstreffen vereinbarte Procedere hielt: Vereinbarungsgemäß sollten zwei Verhandlungsleiter für die Versammlung gewählt werden. Zudem ist es kirchenrechtlich zweifelhaft, ob der Kirchenvorstand die von der Gemeinde nach geltendem Kirchenrecht ordnungsgemäß zu den Vorgängen rund um das Grundstücksgeschäft erzwungene Gemeindeversammlung um weitere gegenstandsfremde Tagesordnungspunkte erweitern durfte. Außerdem erkannte der Kirchenvorstand ihm vorgelegte Vollmachten von Gemeindemitgliedern, die nicht an der Versammlung teilnehmen konnten, nicht an. Klaus Hagelberg stellte sich auf den Standpunkt, daß nur persönlich Anwesende an den Abstimmungen teilnehmen dürften.

Heiner Hoffmeister, Vorsitzender des CDU-Ortsvorstandes und Gemeindemitglied, stellte im Hinblick auf einen Beitrag von Herrn Ganseforth, der selbst nicht Gemeindemitglied ist, aber in dessen Familie Gemeindemitglieder sind, im Verlauf der Sitzung den Antrag, daß nur Gemeindemitglieder auf der Versammlung reden dürfen. Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Herr Ganseforth kritisierte, daß das Verfahren, das der Kirchenvorstand rund um die Ansiedlung der geplanten Anlage betrieben hat, aus demokratischer Sicht voll daneben sei.

Zu seinen Beweggründen, das Grundstück zu verkaufen, sagte Klaus Hagelberg, das Grundstück sei dauerhaft entbehrlich und daß der Auftrag und das Interesse der Kirche einem Verkauf nicht entgegen steht. Das Grundstück solle daher zugunsten der Planung der öffentlichen Hand anderen Zwecken zugeführt werden. Da keine neuen Gesichtpunkte in der weiteren Diskussion mehr zu erwarten gewesen seien, habe man sich bereits im Juli in einer geheimen Abstimmung zum Verkauf entschlossen. Zur Frage, wieso die Abstimmung geheim gewesen sei erklärte Klaus Hagelberg, man wollte vermeiden, daß jedes einzelne Kirchenvorstandsmitglied angesprochen wird. Schließlich handele es sich um eine Gremienentscheidung, bei der alle Aspekte durch Personen dargestellt seien. Auf die Frage eines Gemeindemitgliedes, welches Interesse die Kirche denn an diesem Verkauf gehabt habe, gab es keine Antwort.

Dr. Claessen, ebenfalls Kirchenvorstandsmitglied, ergänzte, es sei dem Kirchenvorstand klar gewesen, daß der Kirchenvorstand bei frühzeitigem Einberufen einer Gemeindeversammlung  viel klugen Rat erhalten hätte und daß die Gemeindemitglieder an der Entscheidung beteiligt werden wollten. Allerdings sei anfangs nur eine politisch motivierte Bürgerinitiative aufgetreten, während die politischen Parteien für die Anlage votierten. Hinzu gekommen sei der fortschreitende Planungsstand und letztlich die Frage, ob die Gemeinde das Grundstück noch zum Verkehrswert veräußern oder – wenn Boehringer Grundstücksnachbar geworden wäre – das Grundstück für Null verkaufen müßte. Außerdem könne eine Gemeindeversammlung dem Kirchenvorstand nicht die Verantwortung abnehmen. Und auch im Kirchenrecht gelte der Grundsatz: „wenn eine Sache entscheidungsreif ist, muß sie entschieden werden“. Dr. Claessen schloß mit den Worten, daß die Jakobi-Gemeinde auch nicht als Blockadeinstrument benutzt werden sollte.

Peter Gresikowski konterte, der ganze Zeitablauf spräche gegen die Bereitschaft des Kirchenvorstandes, die Öffentlichkeit beteiligen zu wollen, zumal den Mitgliedern des Kirchenvorstands spätestens am 2. April 2008 (1. Info-Veranstaltung von Boehringer und der stadt in der TiHo) klar wurde, daß das Thema in der Gemeinde hochumstritten ist. Peter Gresikowski wies auf die kleine Gemeinde Lüthorst hin. Dort hat der Kirchenvorstand nach dem ablehnenden Votum der Gemeindeversammlung auf 311.000,-Euro Kaufpreis verzichtet, um ein Behindertenwohnheim und die Natur zu schützen.>

Kirchenvorstandsmitglied Jens Mau fügte hinzu, man habe zwar um die ethische und moralische Belastung der Anwohner gewußt, aber bei anderer Entscheidung hätte man riskiert, daß Kirchenvermögen seinen Wert verliert. Allerdings dürfe man den Kirchenvorstand für die Geheimhaltung der Abstimmung kritisieren.

Der Kirchenvorstand habe sich laut Klaus Hagelberg mit Lärm, Geruch, Entsorgungsfragen, Sicherheit, Tierschutz, Gentechnik und Ethik beschäftigt. Details des Betriebes habe der Kirchenvorstand unberücksichtigt gelassen, da man insoweit auf die Behörden vertraue und alle Beteiligten die Möglichkeit haben, den Rechtsweg zu beschreiten. Auf die Frage, wer denn für technische Risiken beim Betrieb der geplanten Anlage verantwortlich sei, verwies Klaus Hagelberg auf die Genehmigungsbehörde. Ein Gemeindemitglied zitierte aus einem Buch von Landesbischöfin Margot Käßmann, in dem die Technikgläubigkeit angeprangert wird und davor gewarnt wird, daß der Mensch die Technik niemals ganz beherrschen wird. Die im Anschluß daran gestellte Frage, wie der Kirchenvorstand und auch die Landeskirche ihre dem Verkauf stattgebende Entscheidung ohne ein einziges Gutachten treffen konnte, blieb unbeantwortet. Ein anderes Gemeindemitglied wies darauf hin, daß man Verantwortung nicht auf den Staat abschieben dürfe. Das Publikum sprach auch den 1984 er Dioxin-Skandal der Fa. Boehringer an. Eine Dame berichtete von einem Gespräch mit einem Experten für Filtertechnik. Dieser sagte ihr, es gäbe keine Filter, die für Krankheitserreger völlig undurchlässig seien. Klaus Hagelberg erklärte dazu, er habe sich mit dem Unternehmen Boehringer befaßt; hier solle aber nicht mit Dioxin oder Chemie gearbeitet werden, sondern es werden nur Veterinärversuche bis zur Sicherheitsstufe S-3 gemacht. Eine hundertprozentige Sicherheit gäbe es nicht, so Klaus Hagelberg, aber wir können höchstmögliche Sicherheit erwarten. Eine ältere Dame, ebenfalls Gemeindemitglied fragte, wie sie zurechtkommen sollte, wenn sie infolge eines Störfalls in der Anlage zu Schaden kommt.

Zu der ethischen Dimension der Verkaufsentscheidung sprach Pastor Stahlmann für den Kirchenvorstand, dessen Mitglied er zwar nicht ist, aber an dessen Sitzungen er teilgenommen habe. Pastor Stahlmann sagte, es gehe bei der Entscheidung über den Grundstücksverkauf nicht um eine Glaubensfrage sondern um ein „weltlich Ding“. Im Hinblick auf die Lebenshilfe gGmbH, die auf dem Nachbargrundstück zur geplanten Anlage eine Wohnstätte für 70 geistig Behinderte betreibt, sagte Stahlmann, daß man für die Lebenshilfe sei, diese aber ihre Bedenken am besten selber vorbringen sollte. Dazu erinnerte jemand aus dem Publikum daran, daß eine Fürsorge-Verpflichtung der Kirche auch bestehe, wenn sich die Betroffenen selber nicht äußern. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Lebenshilfe findet es sehr fragwürdig, von Seiten des Kirchenvorstandes hier keine ethischen Erwägungen anzustellen, denn die Menschen dort können nicht für sich selber sprechen.

Die Frage, wie die Kirche ein Grundstück zum Zweck der Massentierhaltung und der Massentierversuche veräußern kann, wurde von Klaus Hagelberg so beantwortet: Der Kirchenvorstand habe sich nicht ausgesucht, wo das Grundstück liegt. Man habe abgewogen und festgestellt, daß der Verkauf kirchlichen Interessen nicht widerspricht. Die Frage nach der Herkunft des Grundstückes konnte nicht beantwortet werden; es sei seit Alters her im Besitz der Gemeinde. Diese Frage war insoweit wichtig, als daß es eventuell Auflagen gibt, die die Verwendung dieses Grundstückes beschränken. Auf die Frage, weshalb der Kirchenvorstand nicht auf das höhere Kaufangebot aus den Reihen der Gemeindemitglieder eingegangen sei sagte Klaus Hagelberg, daß ja bereits im Juli über den Verkauf an Boehringer entschieden worden sei und daß der Kirchenvorstand „nicht frei“ gewesen sei. Für den Kirchenvorstand sei die Alternative eher gewesen, das Grundstück überhaupt nicht zu verkaufen als es freihändig zu verkaufen. Dazu erwiderte ein Gemeindemitglied, der Kirchenvorstand hätte den Verkaufsbeschluß ja zurücknehmen können. Überlegungen über mögliche Auflagen beim Verkauf an Boehringer habe der Kirchenvorstand nicht angestellt, so Klaus Hagelberg. Zur Untermauerung, weshalb dies nicht notwendig gewesen sei, las Klaus Hagelberg aus einem Brief des Landeskirchenamtes vor. Demnach sei eine Veräußerung nur zu dem Zwecke vorgesehen, der im (zukünftigen) Bebauungsplan vorgesehen ist (also die Bebauung mit Boehringers europäischen Forschungszentrum für Tierimpfstoffe). Eine andere Nutzung sehe der Bebauungsplan nicht vor. Die Kirche sei laut Landeskirchenamt nur berechtigt, den Verkehrswert zu fordern. Laut Klaus Hagelberg ist im Kaufvertrag nur vereinbart, daß die Gemeinde das Grundstück zurücknehmen kann, wenn es innerhalb einer gewissen Zeitspanne nicht wie vorgesehen bebaut wird.

Superintendent Höflich, in der hannoverschen Landeskirche zuständig für den Bereich Hannover-Ost, sagte, die Landeskirche habe alle ihr zugetragenen Argumente unverzüglich an den Kirchenvorstand weitergeleitet. Er rief die Gemeindemitglieder auf, Respekt und guten Willen voreinander zu bewahren.

Zu dem in der Gemeinde entstandenen Vertrauensverlust in die Arbeit des Kirchenvorstandes sagte Klaus Hagelberg, der Kirchenvorstand werde sich um die Rückführung der Spaltung der Gemeinde bemühen. Wie das gelingen könnte, könne er aber nicht sagen.