Einwendungen von Volker Klawon im Rahmen der Bürgerbeteiligung, § 3 II BauGB gegen die Änderung der Bauleitplanung bezüglich dem

„Forschungszentrum Bemeroder Straße“

in Hannover vom 6. Juni 2009

Umfang des vorliegenden Einwendungspaketes.

Bestandteil dieses Einwendungspaketes ist das Einwendungspaket der Bürgerinitiative gegen Massentierversuche in Wohngebieten e.V. vom 30. August 2008, das dem Oberbürgermeister Stephan Weil im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung persönlich übergeben worden ist.

Bestandteil dieses Einwendungspaketes sind darüber hinaus die weiteren Einwendungen, die die Bürgerinitiative gegen Massentierversuche in Wohngebieten e.V. fristgerecht im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung bis zum 24. September 2008 nachgereicht hat.

Das folgende Vorwort ist ebenfalls Bestandteil dieses Einwendungspaketes.

Inhalt

Vorwort

01. Immissionsschutzrechtliche Genehmigunsfreiheit der geplanten Anlage

02. Keine Berücksichtigung von Aspekten der Anlagensicherheit

03. Keimübertragung ins Trinkwasser und durch ausgetrocknete Syphons aus der Kanalisation in die Häuser

04. Verwechselungsgefahr bezüglich der gesammelten Gülle

05. Keine zuverlässige Filterung von Krankheitserregern in Anlagen mit landwirtschaftlicher Dimension - Bildung von Erreger-Herden

06. Abwägungsrelevanz des privaten Belangs der Fa. Boehringer Ingelheim

07. Herunterrechnung des Geruchsgutachtens / Fragestellung und Annahmen unbekannt

08. Wirtschaftlicher Schaden für die Stadt durch Keimaustritte

09. Festlegungen im Bebauungsplan sind sicherer als Regelungen im städtebaulichen Vertrag

10. Einräumung der gewerblichen Produktion

11. Fehlende Begrenzung der Tierplatzzahl im Bebauungsplan

12. Unzureichende Begrenzung der Gefährlichkeit der einsetzbaren Krankheitserreger

13. Keine schnelle Nachweisbarkeit von Krankheitserregern

14. Räumliche Nähe der Versuchstierhaltung zur TiHo ist nicht erforderlich

15. Mangels Sicherheitsabstand: Hannoversche Bevölkerung wohnt in einem potentiellen Sperrbezirk

16. Sparsamer Umgang mit Grund und Boden

17. Höhe der Gebäude

18. Zusicherungen der Fa. Boehringer an die Anwohner

19. Unmöglichkeit einer zuverlässigen Filterung

20. Schutzbedürftigkeit der Bewohner der benachbarten Lebenshilfe-Wohnstätte

21. Belastung der Abluft

22. Strategische Umweltprüfung

23. Das Leid der Tiere

Vorwort

Gegen die geplante Anlage ist einzuwenden, dass die umliegenden Wohngebiete den Emissionen der Anlage ausgesetzt werden. Zu erwarten sind austretende Krankheitserreger, Partikel, Gase (insbesondere Ammoniak) sowie Gerüche und Lärm, und zwar sowohl störfallbedingt als auch im Rahmen des Normalbetriebs. Die vorgenommene Abwägung trägt diesen Aspekten und den anderen in diesem Einwendungspaket genannten Aspekten nicht Rechnung. Immissionsschutzrechtliche Vorschriften wurden nicht angemessen gewürdigt.

Der Gesetzgeber hat eine solche Anlage überhaupt nicht vor Augen gehabt. Es ist kein reiner Stall- oder Mastbetrieb, so dass eine Beurteilung nach den dafür geltenden Vorschriften, die auf Anzahl Tiere/Masteinheiten resp. den üblichen Emissionen abstellen, neben der Sache liegt und daher im Ergebnis falsch ist. Es handelt sich auch nicht einfach um soundsoviel übliche Schweine/Tiere, sondern um mit Krankheitserregern infizierte Tiere. Das hieraus entstehende Risiko ist auch nicht nur vorübergehend oder eine bloße Wahrscheinlichkeit wie im Falle eines Mastbetriebes, sondern gewollter Dauerzustand. Auch geht es nicht darum, eine Infektion so schnell und sicher wie möglich aus dem Stall zu verbannen, sondern darum, die Ausbreitung, die Entwicklung, die Begleitumstände etc. ausgiebig zu erforschen. Das bedeutet: Das Risiko aus einer solchen Anlage ist ein ganz anderes Risiko - es ist insbesondere um ein x-faches höher.

Die Krankheitserreger sind ebenfalls nicht einfacher Natur, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit genmanipuliert, um nicht nur reagieren zu können, sondern den Impfstoff bereits für die „nächste Generation“ zu haben. Ungewünschte Randerscheinung kann es auch sein, dass Experimente missglücken und gegen alle heute bekannten Medikamente resistente Krankheitskeime produziert werden. Auch die Einstufung als Labor ist falsch, da bei einem üblichen Labor allein über dessen geringe Kapazität das Risiko entsprechend klein ist. Wenn beispielsweise nur im Labormassstab kontaminierte Abluft anfällt, dann werden Laborfilter damit fertig. Das, was dort entstehen soll, hat aber erstmalig industrielle Abmessungen. Entsprechend größer sind die Risiken und zwar bezogen auf alles. Soweit es denkbare Lösungen geben sollte, sind diese nicht erprobt.

Es handelt sich um eine Anlage sui generis mit besonderem Gefährdungspotential und erheblichen Emissionen mit Elementen der Massentierhaltung, Schlachtung und Entsorgung kontaminierter Tierkadaver mithin den Elementen, die die im Abstandserlass NRW erwähnten Anlagen einzeln aufweisen. Vorstehende Elemente zusammen ergeben aufgrund der Kumulation ein besonders hohes Gefährdungs- und Beeinträchtigungspotential, welches einen entsprechend großen Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung erforderlich macht. Letztlich gehört diese Anlage in den Außenbereich. Hinzu kommen das Gefährdungspotential und die Beeinträchtigungen, die mit dem Betrieb verbunden sind. Beurteilungsmassstab ist der Störfall und nicht der erhoffte „Normalbetrieb“ auf dem Papier.

Es handelt sich um eine industrielle Forschung mithin eine Industrieanlage.

01. Immissionsschutzrechtliche Genehmigunsfreiheit der geplanten Anlage

Das Gewerbeaufsichtsamt stuft die geplante Forschungsanlage als eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsfreie Anlage ein. Die Anlage erwächst erst ab einer Belegung mit 4.500 Ferkelplätzen oder 1.500 Mastschweinplätzen in den Bereich der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflichtigkeit. Dies ist aus folgenden Gründen nachteilig für die Bewohner Hannovers:

Dadurch, dass die Anlage nicht der Genehmigungspflicht der §§ 5 ff BImSchG unterliegt, hat die zuständige Gewerbeaufsicht nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung, emissionssenkend tätig zu werden. So darf die Gewerbeaufsicht nicht von sich aus Vorsorgemaßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung vor Emissionen aus der geplanten Anlage zu schützen. Es ist daher besonders wichtig, dass die Stadt Hannover bereits im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans 1708 Vorsorge in Gestalt immissionsschützender Festsetzungen betreibt, deren Einhaltung dann von der Gewerbeaufsicht durchgesetzt werden kann.

Zudem erlaubt § 22 I Nr.2 BImSchG dem Betreiber einer genehmigungsfreien Anlage, die immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsgrenzen zu überschreiten, sofern deren Einhaltung mit den Mitteln des „Stands der Technik“ nicht möglich ist. Das bedeutet, dass die Anlage im umliegenden Wohngebiet an mehr als zehn Prozent der Jahresstunden riechen könnte, wenn das Filterproblem ungelöst bleibt - und das Gewerbeaufsichtsamt kann nichts dagegen unternehmen! Daher ist dieser Aspekt bereits im Rahmen der Stadtplanung von den Kommunalpolitikern zu berücksichtigen.

02. Keine Berücksichtigung von Aspekten der Anlagensicherheit

Die Ansiedlung einer Anlage innerhalb einer Stadt ist stadtplanerisch nur dann sinnvoll, wenn von dieser Anlage keine Gefahren ausgehen. Das geplante Projekt ist so einzigartig, dass sogar der Geruchsgutachter vom TÜV Nord zur Beurteilung der Geruchsentwicklung mangels vergleichbarer Anlagen auf Emissionswerte von Schlachthöfen ausweichen mußte! Gerade wegen der Beispiellosigkeit dieser Anlage - Haltung Hunderter, gemäß den Begrenzungen des städtebaulichen Vertrages sogar Tausender infizierter Jungschweine - sind Stadtverwaltung und Kommunalpolitik gehalten, innerhalb des Planungsverfahrens ein Gutachten zur Anlagensicherheit einzuholen, im Rahmen der Einwendungsfrist gemäß § 3 II BauGB öffentlich auszulegen und die Ergebnisse in die Endscheidung einfließen zu lassen. Das ist bislang nicht passiert.

Die Eckdaten der geplanten Anlage sind soweit bekannt, dass neben dem naturschutzfachlichen Gutachten sogar ein Schall- und ein Geruchsgutachten für die geplante Anlage erstellt werden konnte. Zudem versucht Boehringer Ingelheim seit vier Jahren, diese Anlage anzusiedeln, zunächst in Tübingen. Der Betreiber hat mit Sicherheit eine sehr genaue Vorstellung davon, wie die Anlage beschaffen sein wird. Sofern dennoch erforderliche Daten fehlen, muß das Aufstellungsverfahren eben ausgesetzt werden, bis das Sicherheitsgutachten vorliegt und öffentlich ausgelegt werden kann. In diesem Zusammenhang ist von der Stadtverwaltung auch zu beachten, dass der Gesetzgeber mit seiner jüngsten Reform des Baugesetzbuches dem Umweltschutz einen höheren Stellenwert eingeräumt hat.

03. Keimübertragung ins Trinkwasser und durch ausgetrocknete Syphons aus der Kanalisation in die Häuser

Keime, die aus der Anlage entweichen und im Umfeld der Anlage niedergehen, können nach Reparaturen am Leitungsnetz und infolge von Unterdruckbildung beim Abstellen und Hochfahren von Versorgungspumpen in das Trinkwassernetz der Stadt gelangen.

Die Kanalisation wird zur Ableitung der Fäkalien aus der geplanten Anlage genutzt. Störfallbedingt könnte die erforderliche Sterilisation bzw. Inaktivierung unvollständig durchgeführt werden. Dann kommen die Erreger aus den Fäkalien in die Kanalisation. Von dort aus können sie sich verbreiten, indem sie durch die Bewohner der Kanalisation in die urbane Welt getragen werden. Eine Gefahr droht auch durch ausgetrocknete Syphons (Geruchsverschluß unter Waschbecken, Duschen, Toiletten etc.). Erreger gelangen dann mit der Abluft aus der Kanalisation oder mit Insekten durch die Syphons in die Häuser.

04. Verwechselungsgefahr bezüglich der gesammelten Gülle

Die Gülle soll vor ihrer Einleitung behandelt werden, sofern die Vorschriften dies vorsehen - so steht es im Entwurf des städtebaulichen Vertrages. Es wird in der Anlage also Fäkalien geben, die behandlungsbedürftig sind und solche, die ohne weitere Behandlung (Sterilisation bzw. Inaktivierung) eingeleitet werden. Daraus ergibt sich eine weitere Gefahr: Es kann zu Verwechselungen kommen. Sammelbehälter mit behandlungsbedürftigen und nicht behandlungsbedürftigen Fäkalien können verwechselt werden. Es ist auch denkbar, dass im laufenden Betrieb der Tierversuche einzelne Injektionen oder gar ganze Versuchstiere verwechselt werden. Dann wird behandlungsbedürftige Gülle ohne die erforderliche Sterilisation eingeleitet. Der Bebauungsplan muß daher festsetzen, dass die gesamte Gülle - ausnahmslos - sterilisiert bzw. inaktiviert wird. Und sofern „Sterilisieren“ eine weitergehende Sicherheit bedeutet als bloßes „Inaktivieren“, ist im Bebauungsplan die Sterilisierung zur Unschädlichmachung aller in der Anlage anfallenden Tier-Nebenprodukte festzuschreiben.

05. Keine zuverlässige Filterung von Krankheitserregern in Anlagen mit landwirtschaftlicher Dimension - Bildung von Erreger-Herden

Das Gebiet der Filterung von Keimen aus der Abluft von Tierhaltungsanlagen mit landwirtschaftlichen Dimensionen ist noch nicht in vollem Umfang erforscht. Geruchssenkende Filteranlagen wurden bislang nur vereinzelt in landwirtschaftlichen Mastanlagen eingesetzt. Das Filtersystem der geplanten Anlage wird jedoch mit hochgefährlichen Krankheitserregern der Risikogruppe 3 konfrontiert. Die Filter, die mit feucht-warmer Stallluft durchströmt werden, können eine Brutstätte für Krankheitserreger bilden. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein Bio-Filter in der letzten Abluftstufe eingesetzt wird. In solchen Bio-Filterstufen werden Mikroorganismen zur Geruchsfilterung verwendet, die in einer Füllung aus Stroh, gerissenem Wurzelholz oder ähnlichem Material leben. Krankheitserreger, die durch die vorgelagerten Filterstufen durchflutschen, finden dort ideale Überlebensbedingungen.

06. Abwägungsrelevanz des privaten Belangs der Fa. Boehringer Ingelheim

Die Fäkalienprobleme treten nur deshalb auf, weil die Anlage hier im Stadtgebiet errichtet wird. In unbewohntem Gebiet könnte die Firma Boehringer Ingelheim direkt neben dem Stall eine Klärung der Fäkalien sowie eine Verbrennung der getöteten Versuchstiere vornehmen, ohne dass der Bevölkerung zusätzliche Gesundheitsgefahren durch Gülle- und Tierkadaver-Transport entstehen. Zudem sind geruchssenkende Filterstufen im unbewohnten Außenbereich nicht in gleichem Maße notwendig wie innerhalb einer Stadt, so dass im Außenbereich auf die Nachschaltung einer Bio-Filterstufe verzichtet werden kann.

Die Möglichkeit der Fa. Boehringer Ingelheim, diese Anlage u.a. aus vorgenanntem Grund problemlos im Außenbereich genehmigt zu bekommen, wirkt sich auf die Abwägung nach § 1 VI, VII BauGB aus: Die Wertigkeit dieses kommerziellen privaten Belangs der Fa. Boehringer, die Anlage an ihrem - aus betriebswirtschaftlichen Gründen ausgewählten - Wunschstandort zu betreiben, wird reduziert.

07. Herunterrechnung des Geruchsgutachtens / Fragestellung und Annahmen unbekannt

Der Geruchsgutachter, Herr Liebich vom TÜV Nord, stellte am 24. September 2008 seine Ergebnisse vor. Demnach wird es in den die Anlage umgebenden Kleingärten an bis zu 5% der Jahresstunden wahrnehmbar riechen. Am Rande einer Bezirksratssitzung im März 2009 erwähnte ein Angestellter der Verwaltung, dass nun ein Geruchsgutachten vorliege, das im direkten Umfeld der Anlage nur noch an 2% der Jahresstunden wahrnehmbare Gerüche prognostiziere. Das Vorliegen zweier unterschiedlicher Ergebnisse zeigt beispielhaft auf, wie ungenau Geruchsprognosen sein können - 2% statt 5% liegt jenseits normaler Toleranzen! Dies muß der Stadtverwaltung und den Ratsmitgliedern bewußt sein. Das Ergebnis hängt in hohem Maße von den Vorgaben ab, die dem Gutachter gemacht werden und die dieser in seine Ausbreitungsberechnung einführt.

Die Aussagekraft eines Gutachtens hängt zum einen von der Fragestellung ab, mit der das Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Zum anderen hängt sie von den Annahmen, also von den geographischen, meteorologischen und technischen Parametern der Filteranlage bzw. der nähreren Umgebung ab, auf die der Gutachter sein Gutachten gestützt hat. In der Präsentation des Geruchsgutachtens am 24. September 2008 blieben alle diese Informationen verborgen. Zum Gutachten, das im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 3 II BauGB auszulegen ist, gehört die vollständige Fragestellung und eine Auflistung aller Annahmen und Vorgaben, die Einfluß auf das Gutachten haben, sowie die Eingabedatei „austral2000.txt“ für das Ausbreitungs-Berechnungsprogramm „Austral2000“. Diese Informationen sind als Bestandteil des Gutachtens zusammen mit dem Gutachten auszulegen. Das Fehlen der vorgenannten Informationen stellt eine unvollständige Auslegung dar.

Dem Geruchsgutachten liegt mangels existierender vergleichbarer Anlagen die Situation eines Schlachthofes zugrunde. Die Situation eines Schlachthofes ist aber nicht mit der Situation in der geplanten Anlage vergleichbar. Eine bestimmte Menge an Großvieheinheiten Schweine, für die das Gutachten berechnet wird, setzt sich im Schlachthof aus wenigen ausgewachsenen und gesunden Mastschweinen mit einem Einzelgewicht von ca. 120 kg zusammen, die im Regelfall nur noch wenige Stunden im Stall leben.

In der hier geplanten Anlage wird aber eine Vielzahl junger Schweine dauerhaft gehalten, die zudem allesamt krank sind. Die Anlage ist laut Aussagen auf der Info-Veranstaltung vom 2. April 2008 ausgelegt für junge Schweine mit einem Durchschnittsgewicht von 25 kg; es sollen dort vorwiegend Atemwegs- und Magen-Darm-Krankheiten erforscht werden. Die Fäkalien in der geplanten Anlage haben daher eine andere Qualität und sie fallen wahrscheinlich auch in größerer Menge an als in einem Schlachthof. Das Geruchsgutachten basiert daher auf zweifelhaften Annahmen.

Eine weitere Unsicherheit liegt in der Wirksamkeit der Geruchsfilterung. Die Wirksamkeit der Geruchsfilterung ist eine der wichtigsten Annahmen, die der Ausbreitungsberechnung des Geruchsgutachtens zugrunde liegen. Wenn sich beim laufenden Betrieb der Anlage zeigt, dass eine geruchssenkende Bio-Filterstufe aus Gründen der biologischen Sicherheit nicht betrieben werden darf, fällt die Geruchsbelastung ganz anders aus als in dem vorliegenden Gutachten dargestellt.

08. Wirtschaftlicher Schaden für die Stadt durch Keimaustritte

Die aktuellen Ereignisse in Mexiko zeigen, welche wirtschaftlichen Folgen das Auftreten eines neuen Erregers für eine Großstadt haben kann. Die notwendigen Maßnahmen, um einen Infektionsherd einzudämmen und die Menschen zu schützen führen zu einschneidenden Veränderungen im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Die Mobilität wird durch Ausgangssperren eingeschränkt, Engpässe in der Versorgung der Einwohner der Stadt sind nicht auszuschließen.

Mit dem Betrieb der Anlage wird über den Bewohnern der Stadt stets das Damokles-Schwert eines störfallbedingten Austritts von Krankheitserregern schweben. Da ein solches Ereignis nicht alltäglich ist, wird in den Medien weltweit darüber berichtet werden mit der Folge, dass Menschen es sich zweimal überlegen werden, ob sie mit ihren Familien nach Hannover ziehen oder ein Zweigwerk ihres Unternehmens in Hannover errichten. Einem derartigen Schaden steht nichts gegenüber, was das Boehringer-Werk jemals der Stadt geben kann.

09. Festlegungen im Bebauungsplan sind sicherer als Regelungen im städtebaulichen Vertrag

Die vorliegende Bauleitplanung zugunsten der Fa. Boehringer Ingelheim wird flankiert durch den städtebaulichen Vertrag mit dem Betreiber. Nach Aussagen der Stadt bezweckt der Vertrag unter anderem, die Anwohner vor Emissionen zu schützen. Er steht damit unmittelbar im Zusammenhang mit der Aufstellung des Bebauungsplans 1708. Die Inhalte des städtebaulichen Vertrages, die emissionssenkend wirken sollen, hätten zusätzlich auch im Bebauungsplan geregelt werden müssen. Dies macht Sinn, weil die Rechtsfolgen einer Festsetzung im Bebauungsplan weiter gehen als die Rechtsfolgen eines städtebaulichen Vertrages. Der städtebauliche Vertrag ist seitens der Fa. Boehringer kündbar, so dass der Vertrag keinen - mit einer Festsetzung im Bebauungsplan vergleichbaren - Schutz bieten kann. Außerdem können die Aufsichtsbehörden bezüglich des Immissionsschutzes nur bauplanungsrechtliche Festsetzungen durchsetzen, nicht aber die Regelungen eines städtebaulichen Vertrages. Der vorliegende städtebauliche Vertrag regelt zudem, dass die vertraglichen Verpflichtungen nur im Verhältnis zwischen der Stadt Hannover und dem derzeitigen Betreiber der Anlage (BIVRC GmbH und Co. KG mit Sitz in Hannover) gelten.

10. Einräumung der gewerblichen Produktion

Der Wortlaut, mit dem die Produktionsmöglichkeit in den textlichen Festsetzungen eingeräumt wird, ist unklar. Es wird davon gesprochen, die Produktion dürfe nur „untergeordnet“ sein. Inwiefern untergeordnet? Für die Auslegung dieser Begrenzung ist zunächst die Begründung des Bebauungsplans heranzuziehen. Hilft dies nicht, so ist der Begriff „untergeordnet“ im Zweifel auszulegen als „städtebaulich untergeordnet“, da in Bebauungsplänen anerkanntermaßen nur städtebauliche Aspekte geregelt werden dürfen. Das bedeutet dann, dass in der Anlage auf dem ausgewiesenen Sondergebiet „Wissenschaft und Forschung“ unbegrenzt viel produziert werden kann, solange die Produktionsgebäude in ihrer Summe kleiner sind als die Labor- und Stallgebäude und damit als „städtebaulich untergeordnet“ anzusehen sind.

Wenn die Stadt möchte, daß dort ein riesiger Gewerbebetrieb mit industrieller Impfstoffproduktion entsteht, muß sie das den Bürgern sagen und nicht die Anlage als Forschungszentrum bezeichnen.

11. Fehlende Begrenzung der Tierplatzzahl im Bebauungsplan

Der Bebauungsplan 1708 enthält keine Angaben über die Belegung der Forschungsanlage. Die Begrenzung im städtebaulichen Vertrag ist unzureichend, da allein Festsetzungen im Bebauungsplan die Gewähr dafür bieten, dass die zuständigen Behörden die Einhaltung der Begrenzung durchsetzen können. Regelungen im städtebaulichen Vertrag können vernichtet werden durch Kündigung des Vertrages seitens der Fa. Boehringer oder Übertragung der Forschungsanlage ohne Weitergabe der Verpflichtungen aus dem städtebaulichen Vertrag.

Boehringer hat die Anlage am 2. April 2008 vorgestellt als eine Tierhaltungseinrichtung, die ausgelegt sei für Tausend Jungschweine mit einem Gewicht von 25 kg. Realistisch sei wegen der erforderlichen Hygienemaßnahmen - die Ställe müßten mehrmals täglich gereinigt werden - eine Belegung mit nur 500 Tieren. Das sind 25 Großvieheinheiten. Daher ist im Bebauungsplan eine Begrenzung der Belegung mit Schweinen auf 25 Großvieheinheiten festzusetzen.

Sofern auf dem Gelände außer Schweinen auch andere Tierarten gehalten werden sollen, ist für diese Tierarten eine gesonderte Angabe für die maximale Belegung festzusetzen. Im derzeitigen Entwurf des städtebaulichen Vertrages ist die Begrenzung Tierart-übergreifend auf 200 Großvieheinheiten festgelegt. Boehringer Ingelheim versucht seit vier Jahren, eine Schweine-Versuchsanlage zu errichten. Schweine sind anfälliger für Erkrankungen als Rinder. Daher ist bei einer so hohen Belegungsbegrenzung damit zu rechnen, dass die Anlage mit bis zu 200 Großvieheinheiten Schweinen betrieben werden wird.

12. Unzureichende Begrenzung der Gefährlichkeit der einsetzbaren Krankheitserreger

Der Entwurf des Bebauungsplans begrenzt nicht die Gefährlichkeit der einsetzbaren Krankheitserreger. Zwar ist die Forschung auf der gentechnischen Sicherheitsstufe 4 ausgeschlossen. Dieser Ausschluß verhindert aber nicht, dass in der Anlage Versuche ohne gentechnischen Bezug mit Erregern der Risikogruppe 4 - also Versuche der biologischen Sicherheitsstufe 4 - durchgeführt werden können. Eine Begrenzung ist nötig, da die Forschung nicht nur unter gut kontrollierbaren Laborbedingungen, sondern auch außerhalb der Laborräume in einem Hochsicherheitsstall durchgeführt werden.

Der renommierte Forscher Prof. Thomas Mettenleiter vom Friedrich-Löffler-Institut auf der Ostsee-Insel Riems sagte anläßlich des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche 2007 in Großbritannien in Bezug auf die Sicherheit einer mit Tierhaltung ausgestatteter Forschungsanlage: „Wenn alle technischen Maßnahmen greifen und die speziell ausgebildeten Mitarbeiter alle Vorschriften befolgen, dürfte eigentlich nichts durchschlüpfen“. Das bedeutet, dass Erreger austreten können, wenn jemand nicht aufpasst oder die Technik versagt.

Der Bebauungsplan muß daher eine Festlegung enthalten, die zumindest den Umgang mit Erregern der Risikogruppe 4 verhindert. Da bereits Erreger der Risikogruppe 3 geeignet sind, schwere Erkrankungen beim Menschen hervorzurufen (vgl. Milzbrand oder der Aids-auslösende HI-Virus), muß der Bebauungsplan auch den Umgang mit Erregern der Risikogruppe 3 verhindern - jedenfalls für die Forschung im Stall. Es mag zwar sein, dass die Medizinische Hochschule und die Tieräztliche Hochschule hin und wieder in ihren Laboren mit Erregern der Risikogruppe 3 arbeiten. Dies geschieht dort aber im kleinen Maßstab, meist im Labor und nicht in einem riesigen Hochsicherheitsstall.

Übrigens wurde in Holland ein Mensch von einem Schwein mit einem MRSA-Erreger infiziert. Mehrere Menschen erkrankten durch diesen Vorfall schwer. Der MRSA-Erreger (Meticillin-Resistente staphyllococcus aureus) gehört zu den Staphyllokokken, welche in der Organismenliste des Bundesministeriums für Verbraucherschutz und Landwirtschaft als Erreger der Risikogruppe 2 geführt werden. Immungeschwächte Menschen - z.B. in der 1.300 Meter entfernten Kinderklinik auf der Bult oder im nahegelegenen Vinzenzkrankenhaus - sind besonders anfällig und können an diesem Erreger der Riskogruppe 2 sogar sterben.

13. Keine schnelle Nachweisbarkeit von Krankheitserregern

Das Austreten von Krankheitserregern aus der geplanten Anlage kann erst nach einer gewissen Zeitspanne bemerkt werden. Zudem wird Zeit benötigt um festzustellen, welcher Art der ausgetretene Erreger ist. Würde in der Anlage nicht mit Krankheitserregern umgegangen werden sondern allein mit Chemikalien, so könnte die Abluft permanent auf schädliche Stoffe überprüft werden. Beim Ausschlag der Meßinstrumente würde dann sofort reagiert werden können, z.B. durch sofortiges Abschalten der Lüftung und Schließen der Ventile. Der Vorgang ist sogar automatisierbar.

Bei der hier geplanten Anlage ist das anders. Der Austritt von Krankheitserregern wird erst bemerkt werden, wenn mehrere Lebewesen in der Umgebung der Anlage Symptome zeigen, die ungewöhnlich sind. Zwischen dem Austritt der ersten Erreger und dem Aufmerken der Behörden wird eine längere Zeitspanne liegen, in der weitere Erreger unbemerkt austreten können, da der Austritt ja erst noch entdeckt werden und dann seine Ursache gefunden und beseitigt werden muß. In der Zwischenzeit können sich die Erreger verbreiten und vermehren, wenn sie auf einen geeigneten Wirt treffen, vgl. die Schweinegrippe in Mexiko.

14. Räumliche Nähe der Versuchstierhaltung zur TiHo ist nicht erforderlich

Das Hauptargument von Boehringer, die Nähe zur TiHo sei erforderlich, ist unzutreffend.

Zusammenarbeit von Wissenschaftlern erfolgt heute mit den Mitteln der modernen Kommunikation, z. B. über das Internet und nicht zu Fuß.

Beratungen und Besprechungen erfolgen z. B. über Webcam vom PC-Arbeitsplatz aus.

Sogar der Weg in die Bibliothek erfolgt „mit der Tastatur“, da durch eine Online-Zugangsberechtigung zu den maßgeblichen Zeitschriften im betreffenden Fachgebiet ein Gang zur Bibliothek entbehrlich ist und auch nur wertvolle Arbeitszeit vergeuden würde.

Die Behauptung, gemeinsam Forschungseinrichtungen zu nutzen, ist sachfremd. Boehringer wird darauf bedacht sein, bezogen auf das erforderliche Equipment auf niemanden angewiesen zu sein, um sowohl den Geheimnisschutz als auch das Arbeiten mit modernsten Geräten sicherzustellen.

Kein verantwortungsvoller Wissenschaftler wird Krankheitserreger „mal eben über die Straße bringen“, um sie durch ein anderes Mikroskop betrachten zu können!

Auslöser für sämtliche Risiken und Beeinträchtigungen für die hannoversche Bevölkerung sowie für den vermeidbaren Naturverbrauch sind der heutige Wunsch von Boehringer, fußläufig zur TiHo zu gelangen. Begründet wird dieses mit einem angeblichen Erfordernis an der Zusammenarbeit.

Boehringers Wunsch wurde ausdrücklich damit begründet, „man möchte einfach nur über die Straße gehen müssen“.

Diese spontane Zusammenarbeit, die Boehringer als Argument glauben zu machen sucht, gibt es in der Praxis der Forschung nicht. Wenn überhaupt, dann würde es sich nur um einzelne, wenige insbesondere vorübergehende bzw. kurzfristige Gelegenheiten handeln, die keinesfalls eine dauernde Beeinträchtigung und Gefährdung der Einwohner Hannovers rechtfertigen.

Wenn Boehringer an lukrativen Impfstoffen forscht, dann gibt es unweigerlich Sicherheitsmechanismen, wie z. B. Zugangskontrollen, vorgängige Geheimhaltungsvereinbarungen etc., die ein spontanes Zusammenkommen von Wissenschaftlern unmöglich machen bzw. nur auf einen ausgewählten begrenzten Personenkreis beschränkt sind.

Wenn jemand gern reist, dann sind es nach der allgemeinen Lebenserfahrung Wissenschaftler. Der Wissens- und Gedankenaustausch erfolgt vorwiegend auf hochrangigen Kongressen, die jährlich wiederkehrend an prominenten Orten in der Welt stattfinden. Eine effektive Forschung auf dem Gebiet der Biologika wird sich nicht auf einen beschränkten Kreis von Wissenschaftlern einer Hochschule oder Universität beschränken. Weltweit agierende Pharmakonzerne setzen für die Lösung ihrer Forschungsprobleme stets auf die Zusammenarbeit mit zahlreichen Arbeitsgruppen, deren Synergismus allein nur effektiv hinsichtlich Zeit und Geld zum Ziel führen.

Die seitens Boehringer erwünschte fußläufige Nähe zur TiHo stellt somit keinen vernünftigen Grund dar, der den Betrieb der eigenen Anlage an genau diesem Ort notwendig machte. Die von Boehringer aufgeführten engen Netzwerke („Cluster“) mit anderen führenden Wissenschaftlern können auch bei nicht vorhandener Fußläufigkeit funktionieren. Alle internationalen Erfahrungen zeigen eher, dass räumliche Anbindung von Wissenschaftlern auch über weitere Distanzen für eine erfolgreiche Arbeit nicht hinderlich sind. Deshalb ist die fußläufige Nähe zur Tierärztlichen Hochschule nicht so wichtig. Kreativität entsteht nicht zwangsläufig bei gemeinsamen Zusammentreffen, sondern bei der späteren Bewertung der vorgetragenen Argumente der Kollegen im „Denkzimmer“. Eher werden in der Zukunft Zielkonflikte zwischen Hochschulwissenschaftlern und wissenschaftlichen Mitarbeitern entstehen, weil zahlreiche Hochschulprofessoren ebenso seit längerer Zeit an Impfstoffen forschen.

Es ist überhaupt nicht dargelegt, wie viele Personen und wie oft am Tag von der TiHo zu Boehringer gehen und vice versa zur TiHo. Dieses wäre eine reine Behauptung und Hypothese.

Die Hypothese Boehringers, Forschung sei nur in räumlicher Nähe zur TiHo möglich, muss schlicht als völlig sachfremd bezeichnet werden.

Boehringer selbst widerlegt diese Behauptung sogar: Denn am ursprünglich gewünschten Standort Tübingen gibt es keine TiHo.

Die Sicherheitsmassnahmen und die hieraus resultierende nicht artgerechte Haltung der Tiere sind nur wegen der Nähe zu den Wohngebieten erforderlich. Dafür darf man Tiere nicht derart leiden lassen. Ohne Nähe zu Wohngebieten wäre aber auch eine tierartgerechtere Haltung zum Wohl der Tiere möglich.

Boehringer wird nicht zu Studenten und / oder Doktoranden in die TiHo gehen, sondern umgekehrt.

Boehringer hat auch ohne fußläufige Nähe zur TiHo die Möglichkeit, Studenten, Doktoranden, d. h. spätere Veterinäre, für sich und für die Boehringer-Produktpalette zu interessieren.

Wäre der von Boehringer als Argument vorgetragene Wunsch, die TiHo fußläufig zu erreichen, Voraussetzung für die hier geplante Forschung, dann gäbe es auf der Welt keine erfolgreiche Forschung in der Pharmaindustrie.

Die Firma Boehringer nutzt das fadenscheinige Argument der Nähe dazu, ihre kommerziellen Interessen in Hannover durchzusetzen.

Die Risiken dieser Anlage und die Belästigung der Anwohner stehen in keinem Verhältnis zu den angeblichen Vorteilen für Boehringer.

15. Mangels Sicherheitsabstand: Hannoversche Bevölkerung wohnt in einem potentiellen Sperrbezirk

Bereits bei der Planung hätte ein Sicherheitsabstand zwischen dem Hochsicherheitsstall und der Wohnbevölkerung berücksichtigt werden müssen. In Verordnungen zum Schutz gegen Schweinepest und andere Tierkrankheiten ist ein Sicherheitsabstand von mindestens 3 Kilometern als Sperrbezirk vorgesehen, wenn in einem Betrieb diese Seuchen festgestellt werden. Bestimmungsgemäß soll in der geplanten Anlage mit Erregern von Tierseuchen im Sinne des Tierseuchengesetzes gearbeitet werden und dabei ganze Gruppen von Versuchstieren infiziert werden. Treten Seuchenerreger aus, so befinden sich weite Teile der hannoverschen Bevölkerung innerhalb dieses Sperrbezirks.

16. Sparsamer Umgang mit Grund und Boden

Es gibt einen Planungsgrundsatz, wonach mit Grund und Boden sparsam umzugehen ist. Die vorliegende Bauleitplanung verbraucht durch diese Ansiedlung den Grund und Boden, der für Wohnbebauung innerhalb des Stadtgebietes besser genutzt werden könnte. Auch die Flächen im östlichen Umfeld der Anlage, die sich im weiteren Abstand zur Güterumgehungsbahntrasse befinden, werden durch das geplante Projekt der Fa. Boehringer für die Beplanung mit Wohnhäusern verloren sein. Eine Ausdehnung der bestehenden Wohnbebauung in die Richtung der geplanten Anlage wird wegen der entstehenden Emissionen und Störfallrisiken verspielt. Der Verkauf des Grundstücks hätte ausgeschrieben werden müssen.

17. Höhe der Gebäude

Die Bebauung kann laut Festsetzung im aktuellen Entwurf des Bebauungsplans eine Höhe von über 20 m im östlichen Teil des Plangebiets aufweisen, im westlichen Teil noch darüber. Die Höhe technischer Aufbauten wie z.B. Schornsteinen ist nicht begrenzt. Dies stellt einen städtebaulichen Abwägungsfehler gegenüber den benachbarten Wohngebäuden (Wohnstätte der Lebenshilfe, Häuser im Aspelweg) und der umgebenden Bebauung dar. Sogar der einige Hundert Meter südöstlich gelegene Neubau der Tierärztlichen Hochschule erreicht derartige Höhen nicht.

18. Zusicherungen der Fa. Boehringer an die Anwohner

Den Anwohnern wurde auf öffentlichen Info-Veranstaltungen am 2. April und am 24 September 2008 zugesichert, dass von der geplanten Anlage keine Belästigungen ausgehen werden. An dieser Zusage ist der Betreiber festzuhalten. Diese Zusage ist aber seit der Vorstellung des Geruchsgutachtens am 24. September 2008 nicht mehr einzuhalten, da das Gutachten gezeigt hat, dass im unmittelbaren Umfeld der Anlage an bis zu 5 % der Jahresstunden mit Gerüchen zu rechnen ist; im östlich der Anlage gelegenen Wohngebiet Kirchrodes sei an „weniger als 1 % der Jahresstunden“ mit Geruch zu rechnen. 1 % der Jahresstunden bedeutet, dass es im Durchschnitt alle vier Tage einmal zwischen 10 Minuten und eine Stunde lang wahrnehmbar nach Schweinestall riechen kann.

Seitdem heißt es in der Stadtverwaltung, dass von der geplanten Anlage keine „erheblichen“ Belästigungen ausgehen würden. Eine derartig riechende Anlage in ein Stadtgebiet zu bauen ist auch dann verfehlt, wenn der rechtlich verbindliche Grenzwert für die Geruchsimmission in Wohngebieten - 10 % der Jahresstunden - eingehalten werden sollte.

19. Unmöglichkeit einer zuverlässigen Filterung

Da der Betreiber mit Krankheitserregern der Risikogruppen 2 und 3 arbeiten und diese Erreger auch gentechnisch manipulieren will, muss mit allen z.Zt. bekannten Viren gerechnet werden, welche für Schweine und Rinder relevant sind. So haben z.B. luftgetragene PRRS-Viren (Schweinekrankheit) nur eine physikalische Größe von 50-65 Nanometer. Die Abluft aus den Ställen und Laboren soll nach bisher bekannt gewordenen Aussagen des Betreibers lediglich durch HEPA-Filter gereinigt werden. Das reicht nicht aus. Die besten bekannten Laborfilter für geringe Luftdurchsätze (ULPA-Filter) haben bei diesen Partikelgrößen nur noch eine Abfangquote von ca. 68 - 86 %. Nach der DIN EN 1822 sind die in Europa zertifizierten Filter nur bis 100 Nanometer sicher verwendbar. Kleinere Partikel wie z.B. die meisten Viren werden nicht mehr sicher abgefangen. Dieses Risiko ist in der Fachwelt allgemein bekannt. Auch daher wurden solche Labore mit angeschlossener Versuchstierhaltung mit einem Mindestabstand von einigen Kilometern zur nächsten Wohnsiedlung erstellt (Pirbright Labor in England, Friedrich-Löffler-Institut in Deutschland auf der Insel Riems).

Das Plangelände liegt innerhalb eines dicht besiedelten, rings herum bewohntem Stadtgebiet. Diese Lage bewirkt ein hohes, gegenüber den Einwohnern von Hannover nicht vertretbares Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung im Falle des Austretens von Krankheitserregern, die sich dann über das gesamte Stadtgebiet verteilen können. Dieses Gesundheitsrisiko ist unnötig. Es wird zudem aus rein kommerziellen Interessen eines einzelnen Pharma Konzerns eingegangen.

20. Schutzbedürftigkeit der Bewohner der benachbarten Lebenshilfe-Wohnstätte

Die benachbarte Wohnstätte der Lebenshilfe gGmbH ist eine soziale Einrichtung, die den Schutzstatus eines Wohngebietes hat. Die Stadt Hannover hat bei der Beplanung des Nachbargrundstücks insbesondere auch die Schutzbedürftigkeit dieser Menschen zu berücksichtigen. Die betroffenen Bewohner sind als Schwerbehinderte nicht in der Lage, selbst ihre individuellen Rechte geltend zu machen und eigene Schutzansprüche durchzusetzen. Diesen Umstand muß die Stadt in besonderer Weise beachten.

21. Belastung der Abluft

Die Abluftmenge von über 6.600 Schweinen aus dem Stall enthält Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Methan und Kohlendioxyd. Besonders im Sommer kann die Abluftmenge zur Belüftung und Kühlung solcher Massentierhaltung bis zu 80.000 Kubikmeter pro Stunde betragen.

Der zu erwartende Anfall an Schadgasen aus der Haltung von über 6.600 Jungschweinen - insbesondere Ammoniak- schadet bereits in geringen Konzentrationen den Bäumen der Eilenriede, welche die Abgase aus der Stadt filtert. Die Eilenriede ist als „Hannovers Grüne Lunge“ erhaltenswert und darf nicht geschädigt werden. Eine Schädigung der Eilenriede durch die ammoniakhaltige Abluftmenge aus der geplanten Massentierhaltung ist denkbar. Es ist nicht bekannt, dass eine Abgaswäsche vorgesehen ist.

22. Strategische Umweltprüfung

Die Aufstellung des Bebauungsplans 1708 unterliegt der Pflicht der SUP (Strategische Umweltprüfung) nach den Maßgaben des UVPG (Umwelt-Verträglichkeits-Prüfungs-Gesetz). Diese ist nicht vollständig durchgeführt worden; es liegen bisher lediglich unvollständige Gutachten hinsichtlich der zu erwartenden Lärm- und Geruchsbelästigung vor. Eine gesundheitliche Gefährdung der Menschen ist nicht berücksichtigt worden, obwohl in der geplanten Anlage bestimmungsgemäß mit unterschiedlichen Krankheitserregern in großem Umfang gearbeitet werden soll. Insbesondere soll nach Angaben des zukünftigen Betreibers an Atemwegserkrankungen bei Schweinen experimentiert werden. Es ist erwiesen und allgemein bekannt (Zoonosegefahr, siehe: sog. Schweinegrippe), dass diese auch für Menschen gefährlich zudem hochinfektiös sein können. Ein Sicherheitsgutachten von kompetenten Stellen hat die Stadtverwaltung gar nicht erst angefordert. Kompetent sind z.B. folgende Institutionen:

Zusicherungen oder Privatgutachten des zukünftigen Betreibers sind in jedem Fall weder ausreichend noch relevant. Ein willkürlicher Ausschluss von Untersuchungsgebieten der SUP (hier: Gefährdung von Menschen) ist nicht zulässig. Die eventuelle Gefährdung von Menschen durch den Betrieb war der Planungsbehörde hinreichend bekannt.

Dem aufgrund der SUP anzufertigenden Umweltbericht fehlt das Sicherheitsgutachten. Dieses muß alle Krankheitserreger inklusive genveränderter Viren berücksichtigen.

23. Das Leid der Tiere

Die Anlage ist nach den Äußerungen des Betreibers auf der Info-Veranstaltung am 2. April 2008 ausgelegt für junge Schweine mit einem durchschnittlichen Gewicht von 25 kg. Ein 25 kg schweres Schwein ist etwa zehn Wochen alt. Im Sprachgebrauch des Gesetzgebers werden Jungschweine unter 30 kg übrigens als Ferkel bezeichnet, so im Anhang zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und im Anhang zur 4. Bundesimmissionsschutzverordnung.

Schweine erreichen ihr Schlachtgewicht in der Landwirtschaft schon nach 160 Tagen. Im Hochsicherheitsstall der Anlage werden die jungen Schweine zu Versuchszwecken krank gemacht und fristen ihr nur noch wenige Wochen / Monate dauerndes Leben auf gekachelten Fußböden. Anschließend werden sie getötet, einzelne ihrer Organe untersucht und dann im Wege der alkalischen Hydrolyse aufgelöst, mit Säure neutralisiert und 22 Minuten bei 122 °C zwecks Sterilisierung der Tierkörper gekocht.

Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit dieser Behandlung der jungen Schweine wirft eine solche Anlage ein sehr negatives Bild auf die Stadt, zumal es vergleichbare Hochsicherheitsställe in ganz Europa in keiner anderen Stadt gibt. Sensible Menschen werden „Hannover“ mit dem Leid der jungen Schweine assoziieren.

Die Entscheidung darüber liegt allein bei den Kommunalpolitikern, indem sie sich für oder gegen diese Form der Nutzung auf dem beplanten Gebiet inmitten unserer Stadt entscheiden.