Rede von Pastor Arthur Wecker

anlässlich der Demo gegen das Tierimpfzentrum Hannover-Kirchrode der Fa. Boehringer am 7.11.2009 auf dem Opernplatz in Hannover

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Liebe Bürger, Bürgerinnen, Freunde des Tierschutzes,

ich spreche hier als Bürger von Hannover, als Christ und Theologe. Mir liegt an dieser Demonstration „Mensch, Umwelt, Tiere schützen“ sehr viel. Es ist wichtig, öffentlich zu zeigen, was uns bewegt, warum wir hier unterwegs sind - und warum wir uns für lebensnotwendige Tierschutzziele einsetzen:

Ich freue mich, dass so viele hierher gekommen sind – und es gibt bestimmt noch ganz viele Menschen, die mitleiden mit der Kreatur – die sich aber nicht trauen – hier und heute auf diesem Platz zu stehen, weil sie eingeschüchtert worden sind oder Angst haben, sich mit einem Pharma-Riesen anzulegen – oder Politikern zu widersprechen.

Bei allem heute ist mir wichtig zu sagen: Wir sind die Stimme für die Tiere, die nicht für sich sprechen können. Sie sind schutzbedürftig. Sie können nicht für sich sprechen, sie können keine Demonstration gegen die Menschen anzetteln, die sie quälen. Sie können sich nicht wehren gegen die Gewalt, die Menschen ihnen antun. Darum ist dies eine friedliche Demonstration. Denn Gewalt ist keine Lösung, Gewalt ist ja gerade das, was den Tieren in Tierversuchen und in der Massentierhaltung angetan wird. Mit Gewalt helfen wir keinem, auch wenn große Pharmafirmen weltweit mit den Staatsgewalten versuchen, das Ziel der Ausbeutung wehrloser Geschöpfe wie Tieren zu verfolgen – und damit Profit zu machen.

Nur mit Liebe zur Natur, Liebe zu den Tieren – Achtung und Würde für jedes Geschöpf, Mensch und Tier, gibt es Hoffnung für diese Welt, nur so können wir etwas für eine Welt tun, die sich im biblischen Sinne als gute Schöpfung Gottes versteht. Das Geld, das mit den endlosen Qualen der Tiere verdient wird, wird kein gutes Geld sein, darauf kann nie ein Segen liegen.
Wer im Namen der Wissenschaft forscht und glaubt, der Menschheit mit Tierversuchen helfen zu können, der irrt gewaltig, und wenn es uns gelingt, anderen klar zu machen, dass auf rücksichtsloser Ausnutzung und Ausbeutung von Tieren kein Segen liegt, dann haben wir einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, und wir könnten vielleicht ein wenig ruhiger schlafen, denn dieses Elend brennt sich ein in die menschliche Seele.

Und ich frage mich: Was hinterlassen wir unseren Kindern, wenn sie mit Bildern von Tierversuchen konfrontiert werden? Jedes Kind ist erschrocken, wenn es mit Bildern, mit Filmen von Tierquälerei konfrontiert wird. Es wird nie begreifen, warum man einem Hund, einer Katze, einem Schwein, einer Maus oder Ratte Schmerz zufügen muss, um ein neues Medikament zu testen.
Als Kind habe ich schon den Satz gelernt: Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt genau wie du den Schmerz. Und für mich sind Tierversuche generell ein übler, ein fataler Scherz – ja sogar ein Verbrechen und Vergehen an der Schöpfung.

Mit dieser Demo heute protestieren wir gegen den Bau einer riesigen Tierversuchsanlage der Pharma-Firma Boehringer-Ingelheim, die mitten in Kirchrode, mitten in Wohngebieten entstehen soll. Zig Millionen Euro werden in diesen Bau für das „Impfzentrum für Schweine“ gepumpt. So viel Geld nimmt doch keine Firma in die Hand, wenn sie sich davon nicht einen großen Profit verspricht. Und sie nimmt dabei den Unmut der Bürger und Bürgerinnen in Kauf. Es gibt tausende, die in Kirchrode wohnen und dagegen sind. Die Angst haben und nicht wissen, was da in ihrer Nachbarschaft passieren wird. Die sich fragen, warum macht dieser Pharma-Riese einen so anstrengenden zweiten Versuch zum Bau einer Massentiertötungsanlage. In Tübingen ist die Firma nämlich durch die aufmerksamen Bürger gescheitert. Da haben sich wohl die Manager von Boehringer-Ingelheim gesagt: Wir probieren das mal mit den Niedersachsen, die wehren sich vielleicht nicht. Die haben ja sowieso schon so viele Massentierställe. Ich frage mich, werden diese Manager bei uns mit ihrem Plan Erfolg haben? Haben sie unsere Stadtpolitiker um den Finger gewickelt? Es sieht ganz so aus. Warum nur? Man kann darüber nur spekulieren. Vielleicht sollten sie sich den Bürgern stellen und ehrlich sagen, warum sie dem Bau dieser Tierversuchsanlage zugestimmt haben! Wir als Bürger erwarten da Transparenz! Die das beschlossen haben, sind nämlich dafür, dass in Kirchrode Schweine - auf einer Fläche etwa eines Fußballfeldes - mit sehr gefährlichen Erregern (Gefahrenklasse 3!) geimpft werden, um an ihnen Medikamente zu testen. Die Schweine werden nach den Versuchsreihen aus Sicherheitsgründen getötet und es war geplant, sie in einer Lauge aufzulösen. Wo wird man wohl die Lauge hinkippen? Das fragen sich besorgte Bürger und Bürgerinnen. Und – niemand wird das tausendfache qualvolle Schreien der Tiere durch die Wände der Labore hören. Da bin ich mir sicher. Ihre Qualen werden erst aufhören, wenn der Tod sie davon erlösen wird.

Und wozu das alles? Um neue Medikamente für Massentierhaltung zu entwickeln!? Wir kennen doch längst die Gefahren der Massentierhaltung. Wir überschwemmen den Markt mit Fleischprodukten gequälter Tiere – darauf liegt kein Segen. Das wird sich rächen. Wir werden an dem Fleisch dieser Tiere krank werden, es wird uns aggressiv machen, es wird uns abstumpfen lassen gegen jegliches Mitgefühl gegenüber den Tieren. Massentierhaltung produziert unendlich viele Probleme, die wir nicht in den Griff kriegen – bis hin zu Umweltbelastungen riesigen Ausmaßes.

Ich weiß, wenn wir so weitermachen, dann kommt nichts Gutes für uns in Hannover und für unsere Schöpfung heraus. Wir sollten so klug sein wie die Menschen in Tübingen. Und radikal Nein sagen zu diesem irrsinnigen Vorhaben in Kirchrode, das im Namen der Wissenschaft, im Namen der Pharma-Großindustrie und im Namen der Politik mit allen Mitteln durchgesetzt werden soll. Es muss eine ethische Neubesinnung her, die nicht „Geld und Profit über die Würde der Kreatur“ stellt.

Mich ermutigt dazu eine Denkschrift mit dem Titel: „Umkehr zum Leben“, die die Ev. Kirche in Deutschland in diesem Jahr herausgegeben hat.
Und ich hoffe, sie wird nicht nur von allen Christen und Kirchenleuten genau gelesen. Darin heißt es: "Der Glaube an Gott bindet den Menschen in eine Lebensgemeinschaft mit allen Geschöpfen ein und weist ihm die Verantwortung zu, der Welt mit Ehrfurcht zu begegnen und sie zu einem bewohnbaren Lebensraum zu gestalten." Und weiter heißt es darin: „Als evangelische Kirche sind wir davon überzeugt, dass zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels und für die Erhaltung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen ein einschneidender Mentalitätswandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist. Eine solche Wende zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise verlangt nach einer Umkehr, …, eine radikale und umfassende Umkehr.“ Zitat Ende.

Erinnern wir uns auch an Worte des Papstes Paul VI: „Die Misshandlung von Tieren ist nach christlichem Standpunkt ein verwerflicher Akt der Grausamkeit.“

Das ist es, was wir brauchen: Eine friedliche, aber radikale Umkehr zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung, eine radikale Umkehr zu einer anderen Lebensweise und Politik, in der jedes Leben, auch das der Tiere respektiert und geachtet wird.

In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung – und man hat in letzter Zeit ja wenig Freundliches über Tierschützer darin gelesen – wurde fast eine ganze Seite am 27. Oktober 2009 mit der Überschrift: „Welches Tier passt zu mir?“ veröffentlicht. Da wurden verschiedene Tierarten Katze, Hund, Kaninchen usw. als Spielkarten eines Quartetts (wie lustig!!) vorgestellt:

Auf der Karte „Mini-Schwein“ war zu lesen – und ich konnte es kaum glauben:
Kosten: 30 bis 100 Euro
Platz: Es lebt im Haus mit Garten,
Lebensdauer: Es wird 12 – 15 Jahre alt
Zeitaufwand: hoch. Schweine brauchen viele Streicheleinheiten.
Charakteranalyse: für Verschmuste und Vegetarier
Geruch: intensiv
Sauberkeit: Sauberer als mancher Mensch.
Coolnessfaktor: Wer sein Schwein liebt und nicht isst, ist cool!

Na bitte, dieses Schwein hat Schwein gehabt! Und das wünsche ich jedem Tierstall in Deutschland.

Pastor Arthur Wecker
Storchenwiese 10
30627 Hannover
Arthur.Wecker@t-online.de